Gleichberechtigung und (sexuelle) Selbstbestimmung
In den AGs „My Body my choice – (Sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!“ und „Excuse me? Wir haben 2023! Von Gleichberechtigung, Rollenbildern und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ fordern die Teilnehmer*innen eine bessere Versorgungslage für Schwangerschaftsabbrüche, mehr Finanzierung für Frauenhäuser, eine progressivere Aufklärung an Schulen, die Stärkung von Inklusion und Gleichberechtigung und mehr Forschung im Gesundheitswesen zu weiblichen Körpern.
„Artikel 218 und 219 sind veraltet. Jede*r hat das Recht zur Selbstbestimmung. Egal ob in Sachen Reproduktion oder Geschlechtsidentität. Und ganz wichtig: Frauenhäuser gehören staatlich finanziert und unterstützt.“
My Body my Choice - (Sexuelle) Selbstbestimmung geht uns alle an!
Diskussionsschwerpunkte
- reproduktive Gerechtigkeit
- Schwangerschaftsabbruch
- Kontroverse über die Verpflichtung aller Gynäkolog*innen, Schwangerschafts-abbrüche anzubieten; Alternativen wie Weiterleitung an Ärzt*innen, die den Eingriff durchführen, wurden diskutiert
- Pro-Choice-Haltung der Teilnehmenden und Betonung der Entscheidungsgewalt über den eigenen Körper, insbesondere bei Minderjährigen
- Verhütung
- sexualisierte Gewalt (online und offline)
- Diskussion über Täter-Opfer-Umkehr, aktuelle Gesetzgebung, Retraumatisierung, Stealthing, Catcalling und sexualisierte Gewalt online (u.a. Revenge Porn, Cybergrooming, Versenden von sexuellem Bildmaterial ohne Einvernehmen)
- Erfahrungsberichte über „Dresscodes“ an Schulen (u.a. Verbot von bauchfreien Oberteilen und kurzen Hosen, insbesondere im Sportunterricht für weiblich gelesene Jugendliche)
- Geschlechtervielfalt
Zentrale Erkenntnisse und Zusammenhänge
Junge Menschen sehen körperliche Selbstbestimmung als grundlegendes Recht an, das alle unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung betrifft. Sie stehen vor spezifischen Herausforderungen in Bezug auf Sexualität, reproduktive Gesundheit´, Verhütungsmethoden, körperliche Integrität und psychischer Gesundheit, da sie sich in einer Phase des persönlichen Entwicklung sind. Die Förderung der körperlichen Selbstbestimmung wird als wichtig erachtet, um die Würde und das Wohlbefinden junger Menschen zu schützen. Jugendliche engagieren sich politisch, um ihre Rechte zu unterstützen, indem sie in Jugendorganisationen, Menschenrechtsgruppen und politischen Bewegungen aktiv werden. Soziale Medien spielen eine große Rolle bei der Sichtbarkeit dieser Themen, insbesondere unter jungen Menschen.
Als Hürden für Partizipation wurden folgende Aspekte beschrieben:
Mangel an Information und Aufklärung
- Notwendigkeit umfassender Aufklärung in Schulen für alle Jugendlichen
- Schwierigkeiten beim Zugang zu altersgerechten Informationen über Rechte und Optionen
- Unzureichende Aufklärung beeinträchtigt Verständnis und politische Teilhabe
Stigmatisierung und Tabuisierung
- Gesellschaftliches Stigma und Tabu rund um Sexualität und reproduktive Gesundheit
- Hindert offene Diskussion und Engagement für körperliche Selbstbestimmung
- Forderung nach Entstigmatisierung dieser Themen
Altersdiskriminierung
- Junge Menschen werden oft nicht ernst genommen
- Mangelnde Anerkennung ihrer Meinungen und Reife in Bezug auf körperliche Selbstbestimmung
- Beeinträchtigt Motivation zur aktiven Teilnahme und Vertretung ihrer Anliegen
Mangelnde Ressourcen und Unterstützung
- Mangelnder Zugang zu Beratungsstellen und Unterstützung
- Forderung nach "safe spaces" für respektvollen Austausch
- Fehlende Unterstützungssysteme hindern junge Menschen an der Durchsetzung ihrer Recht
„Nur ja heißt ja. Konsent ist zentral für eine sex-positive und gewaltfreie Gesellschaft. Jede*r soll ficken wir er*sie will und die Kondome wollen wir geschenkt.“
Forderungen und Lösungsansätze
Schwangerschaftsabbruch
- Forderung nach De-stigmatisierung des Themas in der Gesellschaft
- Wunsch nach differenzierter medialer Darstellung und Normalisierung von Informationen
- Kritik an der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch und Forderung nach Beratungsangeboten auf freiwilliger Basis mit psychologisch geschultem Personal sowie neutraler und wertschätzender Beratung
- Forderung nach freiwilliger Beratung mit neutralen und wertschätzenden Fachkräften
- Forderung nach verbesserter Aufklärung in Schulen
- Forderung nach Abschaffung der Paragrafen 218 und 219 StGB
- Notwendigkeit für mehr Forschung und Weiterbildung für Ärzt:innen aufgrund veralteter Methoden und Versorgungsmangel in Deutschland
Verhütung
- Forderung nach kostenlosen Verhütungsmethoden für alle Geschlechter und niederschwelliger Zugang zu Kondomen und Lecktüchern
- Kritik am Mangel an Verhütungsoptionen für Männer bzw. spermienproduzierende Menschen und Forderung nach mehr Forschung in diesem Bereich
- Forderung nach mehr Forschung in diesem Bereich.
Sexualisierte Gewalt
- Forderung nach Einbeziehung des Themas sexualisierte Gewalt in den Aufklärungsunterricht, auch für junge Kinder
- Betonung eines respektvollen und empathischen Umgangs mit Opfern sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft und im Justizsystem
- Staatliche Finanzierung und Schutz von Frauenhäusern
- Schutzräume für queere Menschen an Schulen, nicht nur im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt
- Forderung nach konsequenter Strafverfolgung von Täter:innen mit angemessenem Strafmaß, möglicherweise höher als bisher
- Einrichtung von Anlaufstellen für Opfer sexualisierter Gewalt an Schulen
- Für den Schutz von Kindern und Jugendlichen online werden folgende Handlungsempfehlungen vorgeschlagen:
- Zusammenarbeit von social Media Plattformen mit Strafverfolgungsbehörden
- EU-weite und internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen sexualisierte Online-Gewalt
- Verbesserte Meldefunktionen von Social Media Plattformen mit zeitnahen Konsequenzen
- Angabe von Klarnamen bei Registrierung (keine Pflicht diese öffentlich zu verwenden, Datenschutz beachten)
- Altersverifizierung bei der Anmelden auf Onlineplattformen (z.B. durch Personalausweis) (Datenschutz beachten)
Geschlechtervielfalt
- Teilnehmende kritisieren die mangelnde Akzeptanz von Geschlechtervielfalt in der Gesellschaft und fordern Wandel
- Wunsch nach einem diverseren Bundestag und Aufklärung in Schulen über Geschlechter jenseits der binären Vorstellung (insbesondere im Biologieunterricht und anderen Fächern)
- Forderung nach verpflichtenden Fortbildungen für Lehrer:innen zum Umgang mit Diskriminierung
- Umfassende Aufklärung in der Schule zu Themen wie sexualisierter Gewalt, Geschlechtervielfalt, Schwangerschaftsabbruch und Verhütung
- Sensibilisierung und Abbau von Stigmatisierung
- Zugang zu Ressourcen wie Informationen, Safe Spaces, professioneller Beratung
„Gleichberechtigung ist ein Querschnittsthema und muss in vielen Bereichen mitgedacht werden.“
Excuse me? Wir haben 2023! Von Gleichberechtigung, Rollenbildern und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Diskussionsschwerpunkte
- Audismus (Ausgrenzung von tauben Menschen in einer Gesellschaft von Hörenden)
- Eine gerechtere Gesellschaft geht nur intersektional gedacht
- Medizinisch sinnvollere Alternativen jenseits von „Männer und Frauen“ für medizinische Studiendesigns
- „Catcalling“ und Gegenmaßnahmen
- Gender Pay Ga
Zentrale Erkenntnisse und Zusammenhänge
Der Umstand, dass junge Menschen im Rahmen der Jugendpolitiktage und anderer ähnlicher Formate zwar gefragt werden, was sie gesellschaftlich, politisch und rechtlich anders wollen, dass aber danach nicht klar ist, inwiefern dies tatsächlich ernsthaft erörtert und eine Umsetzung in Betracht gezogen wird und weiterverfolgt wird, löste große Unzufriedenheit aus.
„Gerade im Bildungsbereich fordern wir, dass alle Menschen gleichberechtigten Umgang erfahren. Dazu zählen unter anderem: Behinderte Menschen, Frauen, LGBTQ, queere Menschen, BiPoc Menschen.“
Forderungen und Lösungsansätze
- Die Programme zur klischeefreien Berufsorientierung sollten ausgebaut und ergänzt werden.
- Die AG befürwortet die Stoßrichtung des Gesetzesentwurfes zum Selbstbestimmungsrecht bzgl. des eigenen Geschlechtseintrags.
- Objektivere Bewerbungsverfahren: stringentere Umsetzungsrichtlinien zur Minimierung von Nachteilen von Bewerbenden auf Grund von diskriminierenden Vorstellungen seitens der Arbeitgbenden (öffentlicher Dienst und Privatwirtschaft)
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Abschaffung des Ehegattensplittings und Einführung einer Familienbesteuerung mit Steuererleichterungen je nach Anzahl der Kinder.
- Familienbesteuerung soll für alle Lebensgemeinschaften gelten, auch queere Paare und Familien.
- Keine kostenlose Mitversicherung beim Ehepartner, um finanzielle Abhängigkeit von Frauen zu vermeiden.
- Kapital und Vermögen stärker besteuern als Lohn durch Erwerbsarbeit.
- Maßnahmen zur Schließung der Arbeitszeitlücke zwischen Männern und Frauen, z.B. Ausbau der Kinderbetreuung, Anreize für Männer, weniger zu arbeiten.
- 32-Stunden-Arbeitswoche für alle zur Reduzierung des Gender-Care-Gaps und des Gender-Pay-Gaps.
- Förderung, dass Väter längere Elternzeit nehmen.
- Flexiblere Arbeitszeiten und Homeoffice für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Entgelttransparenzgesetz für alle Betriebe.
- Attraktivität sozialer und Pflegeberufe steigern, vor allem durch bessere Bezahlung.
Schule und Kita
- Mehr Zugang zu Bildung für taube Menschen durch verstärkten Unterricht in Deutscher Gebärdensprache (DGS).
- Inklusion und Gleichberechtigung zwischen tauben und hörenden Schüler*innen stärken.
- Integration von DGS im Curriculum für die Lehrausbildung.
- DGS als Fremdsprache an allen (Regel-)Schulen und als Unterrichtsfach für Hörende mit Deutsch als Erstsprache.
- Buchauswahl mit Diversität, Geschichte von Minderheiten im Unterricht und Sensibilisierung der Lehrkräfte für Realitäten von Minderheiten.
- Verstärkte Zusammenarbeit von Schulen mit öffentlichen Organisationen und NGOs mit Expertise.
- Workshops und Projekttage zu diversen Themen, Betroffene als Ansprechpartner.
- Bessere Betreuungsschlüssel durch Sozialarbeiter*innen an Schulen und Finanzierung für außerschulische Themen.
- Inklusion im Lehramtsstudium (Pädagogik) lehren.
- Barrierefreiheit an Schulen umsetzen, technische Hilfen und Förderung von Talenten.
- Aufbrechen von Geschlechternormen im Kindergarten, inklusive und antibias Bücher.
- Anpassung der Ausbildung von Erzieher*innen (verschiedene Familienmodelle, Inklusion).
- Faire Behandlung von Migrant*innen, visuelle Darstellung und Vereinfachung von Sprache.
- Null Toleranz gegenüber toxischer Haltung, Aufbrechen von Klischees und objektivere Notenvergabe.
- Kritik an mündlichen Noten und alternative Bewertungsmethoden.
- Förderung persönlicher Interessen und praxisorientiertes Lernen in Schulen.
„Catcalling“ als Strafbestand einzuordnen
- Anerkennung von Catcalling als Straftat im öffentlichen Raum
- Über die Forderung des Deutschen Juristinnenbunds hinausgehen und einen eigenen Straftatbestand für Catcalling etablieren.
- Kein individuelles Erkämpfen der Opfer, sondern ein fester Straftatbestand wie in Frankreich seit 2018.
Forderung nach ausdifferenzierteren Studiendesigns bei medizinischen Studien (data gap schließen)
- Diversifizierung der Studiendesigns durch Einbeziehung verschiedener Proband*innen-Gruppen, um die Aussagekraft zu erhöhen und angemessene Versorgung zu gewährleisten.
- Integration von Symptombildern jenseits der Symptome bei weißen cis-Männern in die medizinische Ausbildung, z. B. Hautkrankheiten bei Schwarzen Menschen und Herzinfarkte bei (Cis-)Frauen erkennen können.