Schutzkonzept

Schutzkonzept für die JugendPolitikTage 2023

Auf die JugendPolitikTage 2023 kommen knapp 1.000 junge Menschen zusammen. Einige kennen schon solche jugendpolitischen Veranstaltungen, einige waren noch nie auf so einer Veranstaltung oder vielleicht auch noch nie in Berlin. Viele von den Teilnehmer*innen kennen sich untereinander nicht und werden vier Tage lang ein volles und intensives Programm mit neuen Leuten erleben. Es werden viele politische Themen besprochen, die aus verschiedenen Perspektiven gesehen werden und sicherlich wird es auch Meinungsunterschiede geben.

Uns, der Jugendpresse Deutschland, ist es als Veranstalterin der JugendPolitikTage ein Anliegen, dass dieser Austausch, die Zusammenarbeit und das Miteinander auf JugendPolitikTagen 2023 auch mit Respekt füreinander stattfinden. Das bedeutet auch, Achtung und Anerkennung von eigenen Grenzen und den Grenzen der Anderen. Dies zu gewährleisten und zu sichern ist nicht nur ein wichtiges Anliegen, sondern auch eine Pflicht, die wir als Veranstalterin tragen. So verstehen wir die Fürsorgepflicht.

Wir wollen einen sicheren Raum für alle Teilnehmer*innen, Teamer*innen und Gäste gestalten. Das bedeutet, einen Raum frei von Gewalt, Übergriffen, Grenzüberschreitungen und Diskriminierung.

Dieses Schutzkonzept nimmt den Schutz vor sexualisierter Gewalt in den Blick, allerdings können auch andere Grenzüberschreitungen mit dem Konzept und den Angeboten aufgefangen werden.

Was ist ein grenzverletzendes, übergriffiges oder nötigendes Verhalten? Dieses Verhalten kann folgende Formen (die Liste ist nicht vollständig!) annehmen:

  • unabsichtliche Berührungen
  • unbedachte Äußerungen
  • Zweideutigkeiten
  • Äußerungen sexuellen Inhalts
  • körperliche Annäherung
  • elektronische Nachrichten sexuellen Inhalts
  • unerwünschte Fragen sexuellen Inhalts
  • Nötigung zum Ansehen pornographischen Materials
  • unsittliches Entblößen
  • Aufforderung zu sexuellen Handlungen
  • Vergewaltigung

Ob eigene Grenzen überschritten oder verletzt wurden, darf jede*r für sich selbst entscheiden. Grenzverletzungen kann man als unangemessenes Verhalten beschreiben, das bewusst, oder unabsichtlich und zufällig geschieht. Grenzen können verletzt werden, wenn Reflexion oder Perspektive gefehlt hat. Manchmal kann es mit unklaren oder intransparenten Regelungen oder Kontexten zu tun haben.

In manchen Fällen geschehen (sexuelle) Grenzverletzungen jedoch im Kontext von gewissen Machtstrukturen und die können als systemisches Vorgehen dienen, um weitere Formen von Gewalt vorzubereiten.

Einiges grenzverletzendes Verhalten (z.B. unabsichtliche Berührungen oder unbedachte Äußerungen) kann korrigiert und verändert werden. Manches, wie das beabsichtigte übergreifende oder nötigende Verhalten, kann nicht toleriert werden und stellt eine Gefahr für andere Teilnehmer*innen, Teamer*innen und Gäste dar.

Mithilfe vom Awareness Team stellen wir allen Teilnehmer*innen, Teamer*innen und Gäst*innen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, wie sie mögliche Grenzverletzungen, Übergriffen oder Gewalt melden können.

Das heißt:

  • wenn deine Grenzen verletzt wurden
  • wenn du von Übergriffen/Gewalt betroffen bist
  • wenn du es beobachtet hast, dass die Grenzen von anderen verletzt wurden oder sie von Übergriffen/Gewalt betroffen wurden

kannst du dich bei unserem Awareness Team melden! Unten findest du unterschiedliche Meldemöglichkeiten aufgelistet.

Auch wenn Diskriminierung (in unterschiedlichen Formen) erlebt wird, steht das Awareness Team zur Verfügung. Die Mitglieder des Teams sind dafür da, die Meldung aufzunehmen, den meldenden Personen zuzuhören und nach der Logik und den Strukturen des vorhandenen Schutzkonzepts zu entscheiden, ob und welche Intervention aus der Meldung folgt. Eine Intervention wird dann unternommen, wenn die Sicherheit der Teilnehmer*innen gefährdet ist.

Zudem kann das Awareness Team die meldende Person dabei unterstützen:

  • die eigene Meinung oder Position zu äußern und ggf. Formulierungsvorschläge zu finden,
  • eigene Bedürfnisse und Wünsche zu reflektieren und zu äußern,
  • die Veranstaltung und Interaktionen mit anderen Teilnehmer*innen oder Teamer*innen zu reflektieren,
  • auf weiteres Wissen und Hilfestellungen verweisen.

Was du vor dem Gespräch mit dem Mitglied des Awareness Teams wissen solltest:

  • jede Meldung wird ernst genommen - wenn das Awareness Team konsultiert und ein Fall oder ein Vorkommen gemeldet wird, müssen wir prüfen, ob für uns die Fürsorgepflicht der Veranstalterin gilt und ob wir aufgrund von der Meldung eine Gefahr für andere sehen und ggf. in dem Sinne interveniert wird.
  • alles was mit dem Awareness Team besprochen wird, unterliegt der absoluten Vertraulichkeit – die Mitglieder des Teams haben eine Selbstverpflichtung zur Vertraulichkeit unterschrieben. Sollte diese nicht eingehalten werden, werden die jeweiligen Personen direkt aus dem Team und der Veranstaltung ausgeschlossen.
  • die Gespräche und Erkenntnisse werden – so weit wie möglich anonymisiert – dokumentiert und am Ende des Jahres vernichtet. Dies dient der Weiterentwicklung von Schutzkonzept innerhalb der Jugendpresse Deutschland.
  • Das Awareness Team ist keine Anlaufstelle für allgemeine Seelsorge. Sollten die Teilnehmer*innen, Teamer*innen oder Gäst*innen nach psychosoziologischen Hilfe oder Betreuung suchen, wird das Awareness Team auf relevante Beratungsstellen und andere Angebote im Vorfeld und während der Veranstaltung verweisen.
  • Das Awareness Team bietet eine Anlaufstelle für Betroffene.
  • auch Beobachtungen und Vermutungen dürfen mit dem Awareness Team geteilt werden, über mögliche Konsequenzen wird im Team beraten

Jede Meldung wird ernst genommen und bei jeder Meldung übernimmt das Team die Verantwortung für die daraus folgenden Handlungen, Konsequenzen und ggf. eine Intervention. Nicht aus jeder Meldung muss eine Intervention folgen – im Abwägungsprozess spielt die Fürsorgepflicht der Jugendpresse Deutschland als Veranstalterin eine grundlegende Rolle. Zudem wird aber auch auf das Wohlbefinden der meldenden bzw. betroffenen Person und auf Deeskalation geachtet.

Im Kontakt und Gespräch mit dem Awareness Team darfst du selbst entscheiden:

  • wie ausführlich du vom Erlebten erzählst,
  • mit welcher Person vom Awareness Team du sprichst
  • wann die Meldung gelesen wird (bei digitalen oder Kummerkasten-Möglichkeiten)

Das Awareness Team ist erreichbar und ansprechbar:

  • am Donnerstag von 15 bis 23 Uhr;
  • am Freitag und Samstag von 9 bis 23 Uhr;
  • am Sonntag von 9 bis 14 Uhr

Du kannst dich auf ein der folgenden Wege mit dem Awareness Team in Kontakt setzen.

Die Mitglieder des Awareness Teams können direkt angesprochen werden

Das Awareness Team wird sich v.a. in der Hauptlocation – dem Haus der Kulturen der Welt – aufhalten und kann direkt vor Ort angesprochen werden. Im besten Fall wird ein ruhiger Ort („Ruheraum“) den Teilnehmer*innen und den Teamer*innen angeboten, in dem sich alle, die dies benötigen , zurückziehen und in Ruhe erholen können. Die Mitglieder des Awareness Teams werden in diesem Raum präsent und ansprechbar sein.

Zusätzlich werden sie sich in anderen öffentlichen Räumlichkeiten aufhalten und jederzeit ansprechbar sein. Es ist uns wichtig, dass Personen die aus diversen Gründen (u.a. Angst vor Stigmatisierung) das Awareness Team unauffällig ansprechen wollen, hierzu Gelegenheit bekommen. Dafür muss sichergestellt werden, dass die Mitglieder des Teams sichtbar und erkennbar sind. Dies wird u.a. mit erkennbaren T-Shirts, Vorstellung auf der Bühne und wiederholten Ansagen durch die Moderation sicher gestellt..

Digitale Meldemöglichkeiten

Für die meldenden Menschen, die das Awareness Team nicht direkt ansprechen wollen oder können, werden auch digitale Angebote geschaffen. Diese umfassen:

  • Einrichtung, Verwaltung und Bekanntgabe eines E-Mailpostfachs (briefkasten@jugendpolitiktage.de);
  • Einrichtung, Verwaltung und Bekanntgabe einer Telefonnummer,
  • Einrichtung, Verwaltung und Bekanntgabe eines Chat-Dienstes (z.B. Signal und Telegram). Bei der Wahl des Chat-Anbieters wird darauf geachtet, dass die Möglichkeit einer Meldung besteht, ohne dass die Telefonnummer der meldenden Person angezeigt wird.

Bei der Einrichtung dieser Angebote ist Transparenz in Bezug darauf wichtig, wann und von wem diese Dienste bedient werden (transparente und klare Kommunikation, wie die Schichten des Awareness Teams verteilt und organisiert werden).

Einrichtung eines Kummerkastens

Ein physischer Kummerkasten wird in der Hauptlocation eingerichtet, beschriftet und den Teilnehmer*innen und Teamer*innen zur Verfügung gestellt.

Die Details bzgl. der Stelle und der Leerung des Kummerkastens werden vom Awareness Team erarbeitet.

Nach der Veranstaltung

Nach der Veranstaltung besteht weiterhin die Möglichkeit einer Meldung. Die Ansprechpersonen sind Elena Everding und Florian Bastick vom Bundesvorstand der Jugendpresse, die per E-Mail erreichbar sind (e.everding@jugendpresse.de oder f.bastick@jugendpresse.de).

Intervention

Sollte das Awareness Team aufgrund einer Meldung feststellen, dass die Veranstalterin der Fürsorgepflicht für die meldende Person oder/und Teilnehmer*innen und Teamer*innen nachzukommen muss, wird eine Intervention geplant.

Eine Intervention zielt auf Einsicht und Verhaltensänderung der gemeldeten Person und kann zu einem Gespräch, einer Entschuldigung oder Schaffung weiterer Angebote für die betroffene/meldende Person führen. Im Zweifel können auch passende disziplinarische bzw. Konsequenzen gezogen werden. Die Verantwortung für die Intervention trägt das Interventionsteam, das von einer geschulten und qualifizierten Person (von inmedio) geleitet wird.

Zum Interventionsteam gehören qualifizierte Personen, die Intervention durchführen. Im Team, das während der gesamten JugendPolitikTage 2023 als solches besteht, sind folgende Personen:

  • - Teamleitung des Awareness Teams (konkret ein geschulter Expert von inmedio)
  • eine Person aus dem Bundesvorstand der Jugendpresse Deutschland (konkret Florian Bastick oder Elena Everding).
  • Ggf. das Mitglied des Awareness Teams, an den*die sich die Person mit der Meldung gewendet und den ersten Kontakt gehabt hat

Zu den Aufgaben des Interventionsteams gehören:

  • - Sicherstellung des Schutzes vor weiteren Gefährdungen auf der Veranstaltung
  • Dokumentation von Fakten
  • Wenn erwünscht – Unterstützung bei Kontaktaufnahme zu externen Beratungsstellen
  • Betreuung der meldenden Person (Möglichkeiten aufzeigen und Beratung anbieten)
  • ggf. Betreuung des gemeldeten Menschen
  • Kommunikation (z.B. BMFSFJ, andere Teilnehmer*innen und Teamer*innen, Eltern, Öffentlichkeit)
  • Fallevaluation (Risikoanalyse)

Ablauf bei (Verdachts)fällen

  1. 1. Eine Person meldet sich beim Awareness Team (Erstgespräch)
  2. Das Mitglied des Awareness Teams bespricht den Fall mit der Teamleitung (gleichzeitig geschulte Person). In dieser Runde findet die Auswertung des Erstgesprächs statt (nach dem 4-Augen-Prinzip).
  3. Dabei wird eine Dokumentation erstellt, die im besten Fall Originaltöne des Erstgespräches beinhaltet und keine Beobachtungen/Beurteilungen des Awareness Teams
  4. Einschätzen des Falles anhand des Reflexionsbogen (Vorlage von inmedio)
  5. Intervention wird von dem Interventionsteam umgesetzt (mit Rückkopplung an die meldende Person)

Wenn nötig oder angemessen wird Rücksprache mit einer externen Fachberatungsstelle gehalten und ggf. wird diese in den Prozess einbezogen.

Was das Interventionsteam nicht macht, ist Aufdeckung, Ermittlung und Beurteilung.

In der Aufarbeitung der gemeldeten Fällen hat die Fürsorgepflicht, die wir als Veranstalterin der JugendPolitikTage haben, den Vorrang. Im Zweifel entscheiden wir uns für den Schutz und die Sicherheit der jungen Menschen auf der Veranstaltung.

Allem voran: Ruhe bewahren und die Situation deeskalieren.

Inmedio

Dieses Konzept wurde mit der fachlichen Unterstützung von inmedio entwickelt (im Rahmen eines Auftrages). Inmedio ist ein Unternehmen, Konfliktlösungen und Veränderungsprozesse in Organisationen erarbeitet und in deren Arbeit auf die Ansätze von Mediation, systemischer Beratung und Organisationsentwicklung greift.

Hintergrund

Die Notwendigkeit eines Schutzkonzeptes leitet sich von der SGB VIII-Reform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) ab, die das Vorliegen eines Gewaltschutzkonzeptes als Auftrag und Empfehlung für alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe vorsieht. Dieses Schutzkonzept hilft dabei die JugendPolitikTage 2023 zu einem Erfahrungsraum und Ort zu machen, an dem Jugendliche und junge Erwachsene wirksam vor (sexueller) Gewalt geschützt werden. Zudem hat die Jugendpresse Deutschland e.V. als Veranstalterin der JugendPolitikTage 2023 eine Fürsorgepflicht gegenüber allen Teilnehmer*innen, Teamer*innen und Gäst*innen, die an der Veranstaltung teilnehmen. Um dieser Fürsorgepflicht gerecht zu werden, wurde dieses Konzept und unten beschriebene Maßnahmen erarbeitet und entwickelt.